Sonneberg – Nur eine Europaflagge und ein Schild erinnern am ehemaligen Grenzübergang «Gebrannte Brücke» zwischen Neustadt bei Coburg und Sonneberg daran, dass Deutschland hier einmal geteilt war. Die Mauer in den Köpfen dürfte nirgends so eingerissen sein wie an diesem Ort.
Woran das liegt, zeigt eine Reise ins fränkisch geprägte Südthüringen und in eine Stadt, die überlegt, bayerisch zu werden. In
Sonnebergheißt der Imbissstand «Hüttla» und verkauft «Broatwörscht». Die Menschen hier kennen wie die Franken keine harten Konsonanten. Und genau wie Nürnberg, Zirndorf, Rödental und andere Orte in Franken hat die Stadt mit ihren 24 000 Einwohnern eine lange Tradition der Spielwarenindustrie.
Ungefähr 100 Jahre ist es her, dass fast jedes fünfte weltweit verkaufte Spielzeug aus Sonneberg kam. Den Reichtum aus der Zeit um die Jahrhundertwende und am Anfang des 20. Jahrhunderts sieht man der Stadt noch immer an.
Im Deutschen Spielzeugmuseum können Besucher heute nicht nur die erste Babypuppe der Welt sehen und Barbies bestaunen, sondern auch selbst spielen, an einer riesigen Murmelbahn zum Beispiel.
Unmittelbar hinter Sonneberg liegt der Frankenwald, auch Rennsteig und Thüringer Wald sind nicht weit entfernt. Auf der Grenzlandtour wenige Kilometer außerhalb des Stadtzentrums lässt sich die alte innerdeutsche Grenze auf dem heutigen Grünen Band entdecken.
In den Nachbarstädten sprechen die Menschen den gleichen Dialekt, lieben ihre Bratwürste und Klöße und begehen ähnliche Bräuche – die Kirchweihfeste zum Beispiel. «Die Gegend südlich des Rennsteigs ist schon lange fränkisch geprägt», sagt Thomas Schwämmlein, Kreisheimatpfleger des Landkreises Sonneberg.
Als Deutschland geteilt wurde, unterdrückte das SED-Regime zunehmend die fränkischen Einflüsse und Traditionen. «Man gab eher verschämt zu, dass die Mundart hier fränkisch ist», sagt Schwämmlein. Heute ist man sich wieder nah: Sonneberg ist die einzige Stadt außerhalb Bayerns, in die man mit dem Bayernticket der Bahn gelangt.
Bundesweit erlangte Sonneberg zuletzt Bekanntheit, weil die Stadt damit drohte, das Bundesland Thüringen zu verlassen und nach Bayern zu wechseln. Denn eine geplante Gebietsreform würde der Stadt ihren Status als Kreisstadt kosten – und Erinnerungen an DDR-Zeiten wecken: Damals gehörte die Stadt zum Bezirk Suhl. Viele Sonneberger hatten das Gefühl, «dass die kleineren Städte bluten müssen, damit die Bezirkshauptstadt glänzen kann», wie Schwämmlein sagt.
Nicht nur wegen des dynamischen Sonnebergs lohnt sich eine Reise ins südliche Thüringen. Im Sommer können Besucher am Rennsteig auf Wegen wandern, die sich über fast 170 Kilometer erstrecken.
Auch Suhl, die von den Sonnebergern wenig geliebte ehemalige DDR-Bezirkshauptstadt, hat ihren Reiz, weil sich an ihr der Wandel nach der Wende gut nachvollziehen lässt. Wer von der Autobahn abfährt, entdeckt schnell die sozialistischen Hochhäuser. In der Innenstadt wechseln sich hübsche Rokokohäuser mit den Zweckbauten ab.
Von Suhl ist es nicht mehr weit bis Meiningen, das vor allem durch seine historische Innenstadt, die vielen Parks und das Staatstheater bekannt ist. Auch Meiningen ist fränkisch geprägt, doch die Mundart klingt anders als in Sonneberg: Beim hennebergischen Dialekt lassen die Menschen wie die Nachbarn in Unterfranken schon mal die letzte Silbe wegfallen. Fränkisch ist eben nicht gleich Fränkisch. Und Franken kann genauso gut in Thüringen liegen wie in Bayern.
Das südliche Thüringen
Anreise: Sonneberg liegt in der Nähe der Autobahn A 73 (Ausfahrt Neustadt bei Coburg) und ist mit dem Zug direkt an Nürnberg angebunden. Der nächste ICE-Bahnhof Lichtenfels liegt 35 Kilometer entfernt. Suhl liegt direkt an den Autobahnen A 71 und A 73, Meiningen an der A 71 zwischen Schweinfurt und Erfurt.
Informationen: Touristinformation Sonneberg, Bahnhofsplatz 3, 96515 Sonneberg, Tel.: 03675/70 27 11, E-Mail: tourismus@stadt-son.de.
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(dpa/tmn)