Seehausen (dpa/tmn) – Es ist eine wackelige Angelegenheit, dieses Fischerstechen. Da stehen junge Kerle oder gestandene Mannsbilder, bei einigen Veranstaltungen auch fesche Frauen im Dirndl auf einem langen, schmalen Holzbrett, das an ein hölzernes Ruderboot montiert ist.
Ganz an der Spitze des Bretts balancieren sie, für manche ist der Weg zum Startpunkt schon ein solches Hindernis, dass sie ins Wasser fallen. Eine echte Herausforderung für das Gleichgewicht ist die vorn gut gepolsterte Lanze, die die Kontrahenten in der Hand halten. Denn das lange Stück Holz ist nicht leicht.
Wenn der laute Schuss aus der Pistole der Schiedsrichter erklingt, geht es los. Die Wettbewerber täuschen an, tänzeln, stechen zu. Zwischen Schulter und Gürtellinie dürfen sie angreifen, nicht darunter und nicht darüber. Doch nicht immer gelingt es ihnen ohne weiteres, den Gegner ins Wasser zu befördern.
Im Gegenteil: Wer zu viel Gewicht hinter die Lanze bringt, wird schnell mitgezogen und landet selbst im See. Und dann ist da noch ein weiterer Faktor: der Mensch nämlich, der im Boot sitzt und am Ruder dafür sorgt, dass das Gefährt möglichst still an einer Stelle stehenbleibt und sich der Teilnehmer ganz auf sein Gegenüber konzentrieren kann.
In
Seehausen am oberbayerischen Staffelsee hat man das traditionelle Fischerstechen im Jahr 1985 wiederbelebt. Seither ist jedes Jahr am 15. August, dem bayerischen Feiertag Maria Himmelfahrt, eine große Gaudi am Seeufer. 24 junge Männer treten an, um den Fischerkönig zu küren.
Einer Sage zufolge sollen die Ritterturniere Vorbild gewesen sein für das Fischerstechen – denn die Fischer hatten keine eigenen Pferde und nahmen kurzerhand ihre Boote. An manchen Orten treten Mannschaften gegeneinander an, andernorts kämpft jeder gegen jeden. Teils kümmern sich Vereine um die Ausrichtung der Fischerstechen, teils sind es die Gemeinden oder sogar die Freiwillige Feuerwehr.
In Bamberg gilt das Fischerstechen alljährlich als Höhepunkt der traditionellen Sandkerwa im August, dem größten Volksfest der Stadt. Hier ist vor allem die Kulisse besonders, denn die Wettbewerber treten vor der ehemaligen Fischersiedlung der Welterbestadt an, die wegen ihrer schmucken Häuser aus dem 17. Jahrhundert Klein-Venedig genannt wird. Auf der Regnitz suchen die Mannschaften ihren Fischerkönig.
Einen Monat später geht es in
Nürnberg zur Sache: Auch hier treten Teams auf den schmalen Brettern an. Bereits seit 1592 gibt es diesen Wettbewerb in der zweitgrößten bayerischen Stadt. Seit 1970 gehört es zum Altstadtfest wie die Bratwürste und das Bier.
Auch in anderen Gemeinden in Oberbayern gibt es alljährliche Fischerstechen, etwa in Tutzing und Seeshaupt am Starnberger See. Während in München bereits im Jahr 1536 Stechen auf der Isar veranstaltet wurde, ging es am Starnberger See erst gut 100 Jahre später unter Kurfürst Ferdinand Maria mit diesen Veranstaltungen los. Prinzregent Luitpold belebte die Tradition im Jahr 1907 wieder. Er stiftete zum ersten Stechen einen Wanderpokal aus Gold.
Zu den größten Fischerstechen außerhalb Bayerns gehört das Stechen auf der Donau in
Ulm. Das allerdings findet meist nur alle vier Jahre statt, dann allerdings gleich an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen vor dem so genannten Schwörmontag, dem vorletzten Montag im Juli. Doch hier rudern nicht einfach nur ein paar junge Männer durchs Wasser. Bevor die Stecherpaare überhaupt auf ihre Boote steigen, findet an beiden Vormittagen ein Umzug statt, bei dem viele Teilnehmer in historischen Kostümen die bewegte Stadtgeschichte aufleben lassen.
Zu Trommelmusik werden historische Tänze der Fischerzunft aufgeführt. Erst am Nachmittag gehen die Teilnehmer auf ihre Zillen, wie die Boote hier genannt werden. Die Teilnehmer werden nach strengen und lange überlieferten Regeln ausgewählt – viele von ihnen sind Nachfahren von Angehörigen der Schiffer- und Fischerzunft. Pro Kampf fährt eine Zille vom Ulmer und eine vom Neu-Ulmer Ufer ab. Das Stechen folgt einer Reihe von Traditionen und Vorgaben, bis an beiden Sonntagen jeweils ein Sieger feststeht. Diese beiden Sieger treten schließlich gegeneinander an, um den Fischerkönig zu ermitteln.
Fotocredits: UNT/Stadtarchiv Ulm,Verena Wolff,Verena Wolff,Verena Wolff,Sonja Krebs/Erich Weiss,UNT/Stadtarchiv Ulm,Verena Wolff
(dpa)